staufische Kunst

staufische Kunst
staufische Kunst,
 
seit Ende des Ersten Weltkriegs übliche Bezeichnung für die Kunst in der Regierungszeit der Staufer, wobei entscheidende Impulse weniger von den staufischen Herrschern selbst ausgingen (wie bei den Karolingern oder Saliern), sondern mehr von einzelnen Landesfürsten (Heinrich der Löwe) und v. a. von der Kirche (Bettelorden).
 
Die romanische Sakralarchitektur im deutschen Sprachgebiet ist im Wesentlichen staufisch. Dazu gehören viele der großen Dome am Rhein, so das Baseler Münster, die Ostteile des Straßburger Münsters, der Dom zu Worms, in großen Teilen der Mainzer Dom, Sankt Quirin in Neuss, Sankt Gereon und Groß Sankt Martin sowie Sankt Aposteln, um 1020-1230, in Köln. Eng mit dem Mittelrhein verbunden ist die Bauschule des Elsass (Maursmünster, Rosheim). Allen diesen Bauten gemeinsam sind die Einwölbung im gebundenen System, ein klares Gliederungsprinzip (Stützenwechsel), massive Pfeiler und monumentale, sehr dicke Mauermassen, die durch eine reiche Ornamentik (Zwerggalerien) belebt sind. Häufig sind die Kirchen noch doppelchörig, wie der Bamberger Dom, obwohl die Einzelheiten zum Teil schon Kenntnis zisterziensischer Frühgotik verraten. Die Zisterzienser vermittelten in staufischer Zeit als Erste gotische Formen nach Deutschland (Walkenried, Ebrach, Vorhalle im Kloster Maulbronn). Der erste Großbau mit gotischem Grundriss ist der Dom von Magdeburg (1209 ff.). In die Spätphase staufischer Herrschaft fällt die Übernahme französischer Hochgotik (Liebfrauenkirche in Trier, Elisabethkirche in Marburg), gipfelnd mit dem Beginn des Kölner Dombaus (1248).
 
Der Überlieferungsbestand des Pfalz- und Wehrbaus ist insgesamt lückenhafter. Aus der Regierungszeit Friedrichs I. sind die Ruinen der Pfalzen Gelnhausen und Kaiserswerth sowie Teile der Pfalzkapellen zu Ingelheim am Rhein und Nimwegen erhalten. Um 1200 entstanden die Kaiserburg Nürnberg und die Pfalz zu Eger, beide mit doppelgeschossigen Palastkapellen. In die Zeit Friedrichs II. gehören die Pfalz Wimpfen, Teile von Goslar, Seligenstadt und der Trifels als Aufbewahrungsort der Reichskleinodien. Die staufische Pfalz unterscheidet sich von den älteren Pfalzen durch reichhaltigere Bauplastik und durch Wehranlagen wie Ringmauern und Bergfriede (öfter mit Buckelquadern).
 
Eine Sonderentwicklung nahm der Wehrbau im süditalienischen Herrschaftsbereich Friedrichs II. (Castel del Monte, Kastell in Bari). Ähnlich bedeutsam sind die Kastelle in Lucera und Lagopesole (Provinz Potenza). Ein bedeutendes Zeugnis staufischen Gestaltungswillens war das von Friedrich II. errichtete Brückenkastell in Capua mit reich geschmücktem Portal in antikisierenden Formen (Skulpturentorsi im Museo Campano, Capua), wie sie für die Bildhauerkunst im Umkreis des Kaisers in Apulien charakteristisch waren.
 
Im deutschen Sprachbereich verbanden sich in der Zeit Friedrichs II. spätromanische Formen mit solchen der französischen Kathedralgotik. Die Bauplastik gewann an Bedeutung. Zu den frühesten Beispielen zählt der Samsonmeister in Maria Laach. Der Naumburger Meister übertrug Reimser Formen nach Mainz (Lettner, 1239) und Naumburg (Saale) (Stifterfiguren, um 1250). Von Chartres beeinflusst war der Straßburger Ecclesiameister (Südquerhausportal und Engelspfeiler, 1230), noch spätromanisch ist der Schmuck der Chorschranken im Bamberger Dom (um 1225), während die jüngeren Bildwerke, v. a. der Bamberger Reiter (um 1230-40), erneut Reimser Einfluss spiegeln. Richtungweisend sind das Reiterdenkmal Ottos von Magdeburg (um 1240; Kulturhistorisches Museum) und die Sitzfiguren eines thronenden Paares, wohl — in der Deutung umstritten — Kaiser Otto I. und Königin Edith) im Magdeburger Dom. Hervorragende Grabmäler sind das Heinrichs des Löwen und seiner Gemahlin Mathilde im Braunschweiger Dom (um 1230/40) und die Holzskulptur des Grafen Heinrich von Sayn im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (um 1250).
 
Wandmalereien sind z. B. in der Doppelkapelle Schwarz-Rheindorf (3. Viertel des 12. Jahrhunderts) erhalten. Eine Sonderentwicklung, parallel zur Gotik und wahrscheinlich unter byzantinischem Einfluss, ist der »Zackenstil« in der Malerei Sachsens, Thüringens, Niedersachsens und Westfalens, so benannt nach der Vorliebe für Zackenformen. Beispiele für die Monumentalmalerei haben sich in Hildesheim (Decken von Sankt Michael, 1. Viertel des 13. Jahrhunderts), im Braunschweiger Dom (um 1240/50) und in Soest (Sankt Maria zur Höhe, um 1220 ff.) erhalten. Die Buchmalerei des Zackenstils wird v. a. durch Werke der thüringisch-sächsischen Malerschule repräsentiert.
 
Seit Heinrich IV. waren in der bildenden Kunst antikisierende Formen nach Vorbildern der vorchristlichen Antike deutlich geworden (z. B. in der Afrakapelle des Speyerer Doms).
 
Neben der Legitimation des Kaisertums aus der Tradition des Imperium Romanum knüpfte man an Reich und Person Karls des Großen an. Ihren Höhepunkt fand diese »Renaissance« unter Friedrich I. mit der Heiligsprechung Karls des Großen 1165; für seine Gebeine entstand der Aachener Karlsschrein, wenig früher die lebensgroße Statue Karls des Großen (Klosterkirche in Müstair, Kanton Graubünden).
 
Zu ähnlicher politischer Bedeutung gelangten die Gebeine der Heiligen Drei Könige, die 1162 dem Kanzler Rainald von Dassel aus Mailand zugefallen waren. Als »königliche« Reliquien legitimierten sie das staufische Königtum und den Anspruch des Kölner Erzbischofs auf die Königskrönung in Aachen (Dreikönigsschrein, 1181-1230, von Nikolaus von Verdun; Köln, Dom). Sinnbilder imperialen Anspruchs sind auch das Kopfreliquiar mit dem Porträt Friedrichs I. Barbarossa in Cappenberg und der Braunschweiger Löwe, von Heinrich dem Löwen vor seiner Burg Dankwarderode 1166 errichtet (heute durch Kopie ersetzt, Original im Braunschweig. Landesmuseum).
 
 
C. A. Willemsen: Apulien. Kathedralen u. Kastelle (21973);
 
Die Zeit der Staufer, hg. v. R. Haussherr u. a., Ausst.-Kat., 4 Bde. u. Erg.-Bd. (1977-79);
 E. Adam: Baukunst der Stauferzeit in Bad.-Württ. u. im Elsaß (Neuausg. 1990);
 
Stadt in der Stauferzeit, bearb. v. K.-H. Rueß (1991);
 W. Hotz: Pfalzen u. Burgen der Stauferzeit (31992);
 
Stauf. Pfalzen, Beitrr. v. W. Bernhardt u. a. (1994).

Universal-Lexikon. 2012.

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